Nachhaltigkeit und Nähen – Greenwashing oder zumindest ein Anfang?

Nachhaltigkeit und Nähen – Greenwashing oder zumindest ein Anfang?

Nachhaltigkeit ist einer der wichtigsten aktuellen Trends. Spätestens dank der „Fridays for future“- Bewegung ist auch beim Letzten angekommen, dass sich etwas ändern muss. Und, wie bei Geburtstagen und Weihnachten, wehen die Gedanken der Hobbynäherin nun darum, was sie für die Nachhaltigkeit so nähen kann. Aber Nachhaltigkeit und Nähen- passt das zusammen? Oder betreiben wir mit unseren Slipeinlagen, Kosmetikpads und Obstnetzen nur Greenwashing?

Jeder von uns, der Einweg Wattepads benutzt, verursacht einen riesigen Müllberg. Ich zeige dir wie du waschbare Kosmetikpads nähen kannst! Stoffresteabbau!

Nähprojekte zur Müllvermeidung

Wenn du etwas, das du zur Müllvermeidung genäht hast zeigst, egal ob auf einem. Blog, auf Instagram oder in einer Facebookgruppe, und du schreibst, dass du jetzt auch beginnst Dinge zu verändern, damit du nachhaltiger lebst, dann wird es immer mindestens einen geben, der dir genau sagen kann, dass das was du da tust nicht nachhaltig ist. Nehmen wir das Beispiel meiner waschbaren Kosmetikpads oder der selbstgenähten Slipeinlagen. Beide Anleitungen erfreuen sich großer Beliebtheit und in beiden Fällen sage ich, dass die Umstellung von Wegwerfprodukten meinen Lebensstil nachhaltiger gemacht hat. Wenn ich sie zeige, gibt es dennoch immer Menschen, die genau wissen, warum ich damit eigentlich alles nur schlimmer mache.

Kritik am Material

Meine Kosmetikpads sind aus Mikrofasertüchern entstanden, die ich in ihrer ursprünglichen Form nicht genutzt habe. Für mich war das ein Upcycling, denn alternativ hätte ich die Tücher nie genutzt oder einfach wegwerfen können. Für andere ist es eine Umweltsünde, denn beim Waschen entsteht durch den Abrieb der Pads Mikroplastik. Daher wäre es nach Ansicht einiger meiner Leserinnen ökologischer, die ungenutzten Tücher in den Müll zu werfen. Ja, es ist wirklich schwer hier eine entgültige Bewertung vorzunehmen! Es gibt beispielsweise Umweltverbände, die Mikrofasertücher empfehlen. Trotz Mikroplastik! Denn man kann auf Reinigungsmittel und Kosmetikprodukte verzichten, die ihrerseits die Umwelt belasten würden. Und ja, auch ein weggeworfenes Tuch, das auf einer Deponie liegt, gibt nach und nach Mikroplastik ab, oder aber CO2, wenn es verbrannt wird. Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass das Kind bereits in den Brunnen fällt, wenn wir durch unseren Kauf einen Bedarf signalisieren.

Jeder von uns, der Einweg Wattepads benutzt, verursacht einen riesigen Müllberg. Ich zeige dir wie du waschbare Kosmetikpads nähen kannst! Stoffresteabbau!

Der Stoff für meine Slipeinlagen? Baumwolle, und der hätte nach Ansicht einiger Leserinnen nie hergestellt werden müssen. Auch die Baumwolle wäre niemals angebaut worden, wenn ich einfach komplett auf Slipeinlagen verzichten würde! Natürlich, wenn ein Produkt von niemandem verwendet wird, wenn kein Bedarf da ist, wird es irgendwann nichtmehr produziert. Wichtig ist mir aber: jede von uns hat ihren Grund, wenn sie ein Produkt nutzt. Manche Frauen fühlen sich wohler mit einer Slipeinlage, andere nutzen lieber ein Kosmetikpad als einen Waschlappen. Wir sind individuell und was wir nutzen ist individuell. Das ist völlig OK. und wenn wir einen Schritt dahin machen, Dinge wiederverwendbar zu gestalten, auf die wir nicht verzichten möchten, ist das immernoch ok, denn niemand muss perfekt sein!


Ist es in deinem Schrank, ist es schon zu spät!

Die Kaufentscheidung, die du möglicherweise schon vor Jahren getroffen hast, kannst du nicht zurücknehmen. Ihren Teil zu deinem ökologischen Fußabdruck haben die Tücher und der Stoff oder aber Wattepads und Slipeinlagen schon auf dem Weg, den sie zurückgelegt haben bis du sie in den Schrank gelegt hast, beigetragen. Natürlich könntest du aus deinen Stoffen auch viele andere Dinge nähen, Taschen oder Kleidung zum Beispiel. Auch wenn du davon eigentlich genug hast und das Nähen reiner Hedonismus wäre. Das wäre nicht nachhaltig, aber das wäre akzeptiert, dafür müsstest du dich nicht rechtfertigen.

Bei Dingen, die ich schon besitze, möglicherweise auch aus Zeiten, in denen ich weniger reflektiert gekauft habe, habe ich mich entschieden, sie so gut wie möglich zu nutzen oder weiterzugeben, statt sie einfach wegzuwerfen. Vielleicht nicht der goldene Weg, aber wer kennt den schon….


Wir sind noch nicht am Ende der Kritik, denn…

..spätestens jetzt meldet sich jemand zu Wort, der weiß, dass dein Wasserverbrauch und das Waschmittel das du einsetzt um die Pads und Slipeinlagen zu waschen einen viel größeren Schaden anrichten, als Wegwerfprodukte! Deine Waschmaschine wird durch die zusätzlichen Stücke schließlich schneller voll und läuft daher öfter. Und junge Frauen waschen ohnehin viel zu oft mit Weichspüler und herkömmlichen Waschmitteln.

Ich könnte ewig so weiter machen, aber du kennst diese Diskussionen sicherlich.

Anzeige: Intimpflege ist ein Tabu Thema, über das man nicht öffentlich spricht. Diese Tabuisierung führt dazu, das wenig Informationen auf Basis eines Erfahrungsaustauschs weitergegeben werden, die Leid und Unsicherheiten ersparen könnten. Ich möchte heute mit dem Tabu brechen und spreche über Intimpflege und das Nähen von Slipeinlagen.

Wer offen bekennt etwas zu verändern um etwas zu verbessern, der bekommt statt Unterstützung und Anerkennung eine große Portion Gegenwind

Schließlich macht er es nicht perfekt und nicht vollständig und hat ein Detail übersehen. Und dieses Detail gilt es schonungslos aufzudecken! Bohrende Fragen; ein Kreuzverhör zur Entlarvung der heuchlerischen Greenwasherin! Ich bezeichne diese Fragen in Anlehnung an Goethes Faust bezogen auf den ökologischen Gedanken gern als Greta-Frage. Es gilt durch unangenehme Fragen ein Bekenntnis zu erzielen, die tatsächliche Absicht der Näherin aufzudecken und sie zu überführen, da sie nur etwas für ihr Gewissen tun wollte, aber eigentlich garnicht an Nachhaltigkeit interessiert ist. Ein Stück weit geht es wohl auch darum, sich zu profilieren, weil man sich selbst schon einen Schritt weiter sieht. Eben genau, wie sich momentan die Welt am Engagement von Greta Thunberg abarbeitet.

Welche Nähprojekte sind sinnvoll?

Der Gedanke lieber etwas sinnvolles, das regelmäßig gebraucht wird zu nähen, das ein Wegwerfprodukt ersetzt, ist schon Produkt eines reflektierten Umgangs mit den Materialien. Ich denke, uns allen ist bewusst, dass wir nicht in letzter Konsequenz nachhaltig leben. Wir sind nicht perfekt, wir haben geliebte Gewohnheiten, wir haben Hobbys und wir leben in einem System, in dem es eine Lebensaufgabe ist jeden Weg eines Rohstoffs oder Produktes bis ins kleinste Detail nachzuvollziehen. Und dann werden auch noch so viele Konzepte in einen Topf geworfen! Nachhaltiger Leben zu wollen bedeutet nicht ab morgen perfekt den veganen Lebensstil umzusetzen und Zero Waste zu beherrschen. Es ist ein Prozess, der sich Schritt für Schritt vollzieht. Und das Nähen kann diesen Prozess unterstützen, denn es bietet uns tolle Möglichkeiten!

Jeder lebt anders- und jeder hat andere Ansatzpunkte!

Wunstorf, eine gemütliche Kleinstadt nahe Hannover – und der Ort in dem ich aufgewachsen bin. Ws wird also Zeit, euch endlich mal den dortigen Stoffladen vorzustellen, denn da nahm für mich alle Handarbeit ihren Anfang.

Nehmen wir an, du lebst mit Kindern und Partner in einer kleinen Stadt in einer eher ländlichen Umgebung. Der Supermarkt ist nur mit dem Auto zu erreichen, einen Wochenmarkt gibt es im Dorf nicht, und auch zum Bäcker oder Hofladen sind es einige Kilometer. Natürlich hast du andere Voraussetzungen als ein Single in der Stadt, wo der Unverpacktladen um die Ecke ist und zum Wochenmarkt ein Radweg von 5 Minuten zurückgelegt werden muss. Du musst deinen Partner und deine Familie von den Änderungen überzeugen und verdammt, das kostet Kraft! Wer mit dem Küchenpapier und dem Wegwerftaschentuch aufgewachsen ist, für den gehören diese Dinge und ihre praktischen Eigenschaften zum Leben dazu! Möglicherweise hat er es sogar als ein Zeichen des Wohlstands erlebt, als seine Mutter endlich aufhörte die vielen Taschentücher des Vaters zu bügeln, weil man es sich nun leisten konnte die Einwegversion aus dem Supermarkt zu kaufen!

Jetzt musst du nicht nur deine eigene Gewohnheit loslassen, du musst harte Überzeugungsarbeit leisten. Statt der sauber wirkenden Rolle Küchenkrepp liegt nun ein Tuch auf dem Tisch, das optisch an das erinnert, mit dem die Spüle ausgewischt wird? Es wundert mich nicht, wenn du damit erstmal auf Ablehnung stößt! Und ich kann es verstehen, wenn du verdammt stolz bist, wenn du es in dieser Umgebung geschafft hast eine Rolle bunter, selbstgenähtter Tücher einzuführen, deren Verwendung du nicht nur damit begründen kannst, dass weniger weggeworfen wird, sondern auch damit, dass du stolz auf dein Werk bist. Das Mag nicht perfekt sein, es mag Stormverbrauch zum Nähen gegeben haben und der Stoff wurde irgendwo produziert. Für mich ist es aber kein Greenwashing, für mich ist das ein erster Schritt. Eine Möglichkeit die Familienmitglieder zum Nachdenken anzuregen und den nächsten Schritt vorzubereiten. Egal ob es dabei um die Menstruationstasse statt der Tampons geht, oder um die Wattepads. Du bist auf einem guten Weg, du verdienst Anerkennung!


Spaß an der Veränderung – der beste Antrieb für höhere Ziele


Das wichtigste daran, wenn du versuchst durch selbstgenähten Ersatz für Wegwerfartiikel nachhaltiger zu leben: Du kannst die Veränderung mit deinem Hobby verbinden. Es macht dadurch nicht nur Mühe, es macht Spaß. Spaß an etwas zu haben ist ein enormer Motor um weitere Schritte zu machen, die anfangs noch sehr schwer erschienen. Ich möchte dir hier meine Entwicklung der letzten beiden Jahre kurz zusammenfassen:

Meine Veränderungen der letzten beiden Jahre

Bei mir hat die Veränderung damit begonnen, dass ich meine Wattepads durch die oben erwähnten, waschbaren Kosmetikpads ersetzt habe. Ich hatte dabei sehr egoistische Motive: ich hasse es den Müll rauszubringen, daher macht mir weniger Müll das Leben bequemer! Ich habe außerdem kein Auto, und was ich nicht kaufen muss, muss ich auch nicht nach Hause tragen. Nach den Kosmetikpads kamen die Slipeinlagen. Auch hier das egoistische Motiv im Vordergrund, denn ich vertrage gekaufte Slipeinlagen nicht gut und die für die Wattepads geltenden Erleichterungen gab es noch on Top!

Die Veränderungen haben aber weiterreichende Spuren hinterlassen. Sie haben mich zum Weiterdenken angeregt, und ich habe begonnen die Philosophien von Unternehmen zu hinterfragen, deren Produkte ich kaufe oder auf dem Blog vorstelle. Dabei erwarte ich von den Unternehmen ebenfalls keine Perfektion, aber ich honoriere es, wenn sie eine Begründung liefern, wenn sie beispielsweise Kunststoffverpackungen verwenden. Ich habe auch begonnen bevorzugt regionale Lebensmittel zu kaufen, über eine Biokiste, und verzichte seit Kurzem auf Fleisch. Wenn ich die Möglichkeit habe, etwas in einer Mehrweg-Glasflasche statt dem Tetrapack zu kaufen, dann tue ich es und ich trinke fast immer Wasser aus der Leitung.

Du siehst, perfekt sind wir alle nicht, aber wir können kleine Schritte machen, die uns gut tun, uns motivieren und an denen wir nicht ausbrennen. Und auf diese Schritte können wir stolz sein!

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