Der Sonntag mit einem Brief an meine kinderlosen Freundinnen. Mit meinen Gedanken vom Sonntag und mit einigen Bildern, die ich echt gern mag und noch nicht hier gezeigt habe.
Die Beitragsreihe „Der Sonntag mit…“ ist entstanden um Gedanken und Themen zu teilen, die über den Nähkontext hinausgehen. Hier wird es persönlich, tiefgründig, aber auch mal kurzweilig oder lecker. Die „Gemischte Tüte des Lebens“ auf meinem Blog. Wenn du nur gekommen bist, um zu erfahren, welches Schnittmuster und welchen Stoff ich auf den Bildern trage, findest du diese Informationen am Ende des Beitrags.
Sonntage mit schweren Gedanken
Heute ist einer der Tage, an denen ich mit Bauchschmerzen aufwache. Einer der Tage, die mir schon Wochen im Voraus ein ungutes Gefühl machen. Heute ist dein Geburtstag. Und schon heute morgen war mir klar, dass ich mir heute irgendwie ein Zeitfenster zum Telefonieren freischaufeln muss. Und mir war, anders als dir, klar was das für ein Kraftakt ist.
Beim Anziehen kreisen meine Gedanken. Wir haben schon oft darüber gesprochen. Ich weiß, dass du dir Kinder wünschst aber zwischen der Möglichkeit der Hoffnung und dem endgültigen Abschied von der Idee hin und her gerissen bist. Ich weiß, wie du in anderen Freundschaften haderst oder gehadert hast, wenn Mütter dir gegenüber äußern, dass das, was für dich ein großes Glück wäre, für sie große Last bedeuten kann. Ich weiß, wie einsam du dich manchmal fühlst und das aus diesem Blickwinkel Kinder und eine Familie ein Segen zu sein scheinen. Dass es für dich ein Affront ist, wenn Mütter dir sagen, dass sie dich beneiden. Aber es ist dennoch so, dass auch ich mir manchmal wünschen würde, einsam zu sein. Einsam sein zu können bedeutet einen Luxus, den es für Mütter kaum gibt: selbstbestimmt Zeit zu verbringen, ohne die Verantwortung für jemanden anders als sich selbst.
in meinem Kopf formen sich Worte: Ein Brief an meine kinderlosen Freundinnen
In meinem Kopf formen sich Worte. Ein Brief an meine kinderlosen Freundinnen. In meinem Kopf habe ich schon unzählige Passagen daraus geschrieben. Heute kommen wieder einige hinzu, während ich mir ein hübsches Kleid anziehe, Schmuck anlege und mir im Spiegel zulächle. Einfach weglächeln. Eigentlich ist es doch gar nicht so schlimm. Eigentlich habe ich es doch gut, oder?
Eigentlich habe ich das. Ja. Ich habe mich im letzten Jahr von vielem befreit. Dabei hast du mir geholfen, denn ich kann dich eigentlich immer erreichen. Du hast Zeit und genau das macht mir ein schlechtes Gewissen. Denn ich kann diese Zeit nicht zurückgeben. Noch Viel weniger jetzt, mit dem „geregelten“ Leben, als vor einem Jahr, als ich zu deinem Geburtstag verglichen mit heute, völlig unbeschwert war.
Unbeschwert, weil mir die Selbstständigkeit zwar viele Unsicherheiten brachte, für mich aber dennoch ein Segen war. Denn anders als meine Anstellung, die nun mein Leben und das des Minis absichert, war meine Arbeit und somit all die Zeit, die ich mit ihr verbrachte, selbstbestimmt. Du kannst dir nicht vorstellen, was es für ein Geschenk ist, wenn man über seine Zeit bestimmen darf. Du kannst dir nicht ausmalen, wie es ist, wenn du keine Minute hast, die nur dir gehört. Denn so ist mein Leben. Der komplette Gegensatz zu deiner Situation. In jeder Minute hängt die ungeplante Änderung der Route durch meinen Tag wie ein Damoklesschwert über mir. Mein Leben besteht aus der permanenten Reaktion auf ungeplantes, denn nichts ist planbar.
Ein Kind bringt viele Menschen mit sich, die deine Planungen aushebeln.
„Du musst dich einfach besser organisieren!“ magst du denken, und wahrlich, die Zweifel, ob ich vielleicht selbst das Problem bin, holen mich regelmäßig ein. Schließlich schaffen es andere doch auch? Haben einen Picobello-Haushalt und sind nachmittags mit dem Kind unterwegs. Schließlich hat doch auch deine Mutter als alleinerziehende die Dinge gewuppt.
Aber wusstest du, wieviele Personen außer einem Kind am ständigen Angriff auf deine Organisation und Planung beteiligt sind? Lehrer, die davon ausgehen, dass Kinder um 13 Uhr zu ihren Müttern nach Hause gehen und dass die Mütter dann auch für ihre kurzfristigen Pläne verfügbar sind. Schulen, die dein freies Wochenende für eine kurzfristige Pflichtveranstaltung „stehlen“, indem sie mit maximal 14 Tagen Vorlauf den Samstagnachmittag verplanen. Das führt dazu, dass das Papa-Wochenende gestrichen wird. (Nicht, dass du dich da jemals einfach ausruhen würdest. Du arbeitest IMMER Dinge ab, die liegen geblieben sind).
Es sind auch andere Eltern, die aus der gleichen Not heraus, die du selber kennst, ihre Kinder krank in die Betreuung geben. In der Folge wird erst dein Kind krank und der GAU: anschließend auch du selbst.
Der Vater des Kindes, der bei seinen neuen Arbeitszeiten nicht bereit ist zu berücksichtigen, dass alle 14 Tage er das Kind aus der Betreuung abholen muss. Und der die Umgangszeit weiter verkürzt, weil es ihm lästig ist, alle 14 Tage so früh aufzustehen, dass er es zur Schule bringen kann.
Auch nicht in der Planung vorgesehen ist, dass du, nur 20 Urlaubstage im Jahr hast. 10 nimmst du um Weihnachten und 1o um im Sommer während der Schließzeiten der Betreuung dein Kind zu beaufsichtigen. für 5 Tage bibberst du bis das Kind beim Vater angekommen ist, dass er sich wirklich in der vereinbarten Zeit kümmert. Denn die Schließzeiten übersteigen die Urlaubstage selbstverständlich. hatte ich erwähnt, dass Schulungstage für Kita und Schule hinzukommen? Auch dafür muss die Betreuung immer wieder neu organisiert und geplant werden. Auch hier geht der Plan oft nicht auf. Sich auf etwas verlassen? Sich sicher fühlen? Das gibt es nicht. Mein Leben ist nie Aktion, sondern permanente Reaktion.
Ich weiß, dass du vieles davon siehst.
Ich weiß, dass du vieles davon siehst. ich weiß, dass du nach Lösungen für mich suchst und versuchst mich mit deiner Zeit zu unterstützen. Aber auch das macht es mir schwer. Denn ich sehe die Zeiten, in denen du meine Unterstützung bräuchtest und in denen ich einfach keine Zeit habe. Ich sehe, dass es für dich wie Unzuverlässigkeit wirkt, dass mein Körper kapituliert und ich krank werde, wenn ich dir eigentlich helfen wollte und dafür tagelang alles organisiert habe. Ich weiß, dass du mir nur Gutes willst, wenn du vorschlägst ans Meer zu fahren um ein paar Tage raus zu kommen. Aber so leid es mir tut: Es ist eine weitere lange Liste von Organisationsaufgaben und Verpflichtungen. schließlich möchte ich dir dann auch eine gute Gesellschaft sein.
Ich möchte nicht mit dem Managen der Betreuungspersonen meines Kindes zu tun haben, während wir am Strand spazieren gehen. Aber auch dir eine gute Gesellschaft zu sein bedeutet, dass diese Tage nicht meinen tatsächlichen Bedürfnissen dienen. Denn eigentlich möchte ich die Stille und die Einsamkeit. Ich möchte tagelang im Bett liegen, nicht kochen, putzen, caren müssen. Verreise ich mit dir, verreise ich mit einer Verantwortung nicht egoistisch zu sein. Und egoistisch sein wäre mein größter Luxus, denn das durfte ich seit über 8 Jahren nicht.
Zurück zu deinem Geburtstag
Ich habe es geschafft. ich konnte das Zeitfenster für den Anruf einplanen. In der Mittagspause, nach Feierabend, während das Kind seine Bildschirmzeit nutzt, oder, wenn du zu denen gehörst, die auch mal länger wach sind, nach 22 uhr. Dann, wenn das Kind im Bett ist und nur noch vereinzelt für Wasser, „Kann nicht schlafen“ oder „was macht wohl Mama?“ aus dem Zimmer kommt. Ich rufe an. Es klingelt einige Male, dann geht deine Mailbox ran: „Der Teilnehmer ist nicht erreichbar“. Sofort kommt das Gefühl auf, dass du sauer auf mich bist – das waren doch nur zwei mal klingeln?! Habe ich mich wieder so lange nicht gemeldet, dass du mir nun zeigen willst wie sich das anfühlt? Wie du es schon öfter gemacht hast? Anschließend hab ich mir zwei Beine ausgerissen um mich regelmäßig zu melden, auch wenn der Stress für mich unerträglich wurde das zu erfüllen. Aber dann kamen wieder Rückschläge, Überstunden, Krankheit, Termine des Kindes. Ich habe wieder im Freundin sein versagt und stelle mir am Ende die Frage: Gibt es überhaupt eine geringe Chance, dass unsere Freundschaft die Unterschiede unserer Lebensformen überlebt?
Am Ende erreiche ich dich doch. Wir überlegen, wann wir uns treffen können und alles ist gut. Nur mein schlechtes Gewissen, das wird mich auch weiterhin begleiten.
Der Brief an meine kinderlosen Freundinnen
Den Brief an meine kinderlosen Freundinnen schreibe ich in meinem Kopf seit Jahren immer wieder. Die eine oder andere – und es sind nicht viele geblieben, seit ich Mutter bin, wird sicherlich Situationen daraus wiedererkennen. Auch meinen Freundinnen mit Kindern möchte ich solche Briefe schreiben, wenn ich wieder und wieder ein schlechtes Gewissen habe, weil wir uns so lange nicht sehen. Aber anders als der Brief an meine kinderlosen Freundinnen, müssten diese Briefe vieles nicht erklären. Es ist sonnenklar: Wenn ich einer Freundin mit Kindern erzähle, dass die aktuelle Lebensphase es mir schwer macht, Zeit zum Duschen zu finden, wird sie lachen und mich fragen, was ich schätze wie lang ihre letzte Dusche zurück liegt. Es gibt ein Verständnis und Wohlwollen, weil das unvorstellbare Alltag geworden ist. Wir müssen uns einander nicht erklären. Und trotz des schlechten Gewissens, trotz all der Schwierigkeiten und des Stresses den es mir bereitet die Freundschaften zu meinen kinderlosen Freundinnen zu pflegen: Ich möchte sie nicht missen. Es ist das alles wert. Denn wenn ich nicht an der Organisation der gemeinamen Zeit scheitere, liebe ich es, ihnen zuzuhören und für sie da zu sein.
Und ich sauge jeglichen Input aus dieser anderen Welt begierig auf- in der Hoffnung in ein paar Jahren wieder dabei zu sein und die Erlebnisse zu teilen – oder, wenn sie entgegen ihren Befürchtungen vielleicht doch Kinder bekommen, ihnen ein Stück der Last des „sich melden müssens“ zu nehmen – und ihnen vielleicht etwas selbstbestimmte Zeit zu schenken, indem ich einen Teil meiner zurückgewonnenen Zeit dafür verschenke.
Der letzte „Der Sonntag mit…“ Post liegt schon lange zurück- dennoch möchte ich dir die Reihe, die ich angefangen hatte um Gedanken außerhalb des Nähkosmos zu teilen, empfehlen.
Das Kleid, das du auf den Bildern siehst, ist nach dem Schnittmuster Olivia von Labavarese genäht. Olivia ist ein klassisches Hemdblusenkleid mit raffinierten Details: Statt ABnähern werden auf der Rückseite Falten gearbeitet, die die Weite Einhalten und durch die Briefecken am Saum entstehte eine akuratie Schlitzverarbeitung. Der Viskosestoff ist aus einer älteren Kollektion von Milliblus. Kombiniert habe ich es mit der Tasche Maribel aus dem Taschenset Maribel und Marisol. Diese Taschen können einzeln, aber auch mit Druckknöpfen verbunden gemeinsam getragen werden. So ergeben sich wahlweise eine Totebag mit Fächern, eine Crossbodybag oder eine 2-in-1- Bag in der die Crossbodybag zum zusätzlichen Fach wird.