Gehen bei euch auch schon die Weihnachtsvorbereitungen los? Habt ihr euch schon um Geschenke gekümmert oder die Wohnung geschmückt? Bei mir sind die Vorbereitungen im vollen Gange- auch wenn sie sich momentan nicht weihnachtlich anfühlen… Warum? Nun, ich habe mein Wohnzimmer zu einer Werkstatt umfunktioniert!
Klingt nicht so weihnachtlich? Ist es auch garnicht, aber einer der Weihnachtstage ist der Grund dafür. Am zweiten Weinachtstag wird der Zwerg zwei Jahre alt, und er bekommt eine Spielküche. Das haben vielleicht schon einige auf Instagram entdeckt, ich bin sozusagen um zehn Jahre zurückgegangen und fange wieder das Tischlern an.
Vor Zehn Jahren war ich Schülerin im Berufsgrundbildungsjahr Holztechnik, dem ersten Jahr meiner Tischlerlehre. Es hat mir einen riesigen Spaß gemacht mit Holz, Holzwerkstoffen und den Maschinen zu arbeiten. Macht es immer noch, auch wenn ich lange nicht so hochwertiges Werkzeug zur Verfügung habe wie damals (und das ist ein Thema, das mir wirklich die Laune verhageln kann…)
Als sei die Zeit um 10 Jahre zurückgedreht, reagiert auch mein Körper auf die inzwischen wieder ungewohnte Arbeit- der Staub vom Schleifen macht die Haut unrein, die Hände sind trocken und ich bin müde- So eine alte Kommode, die Basis für die Kinderküche, ist nicht ganz leicht, vorallem wenn man sie allein bewegen muss, und auch von Hand zu schleifen, das festhalten der Stichsäge oder des Excenterschleifers verlangen den Einsatz von anderen Muskeln als denen, die beim Nähen im Spiel sind…
Daher bin ich sehr froh, dass ich noch das eine oder andere unverbloggte Nähwerk habe, auf das ich zurückgreifen kann, denn ich komme kaum an die Nähmaschine und habe momentan auch wenig Lust darauf Fotos zu machen.
Heute zeige ich euch den Skirty von Sewera. Ich habe ihn im Probenähen parallel zum Body genäht, und mich beim Material für Chiffon und Tüll entschieden. Ich wollte etwas zartes, das sich gut mit dem weißen Body kombinieren lässt, machen, das ruhig etwas besonders und nicht alltagstauglich, sondern einfach eine Art Streichelkur für die Seele ist.
Das Zarte und der Beitrag zu Tischlerarbeiten, wie passt das jetzt zusammen? „Zart“ ist die ungläubige Beschreibung vieler Kundinnen gewesen, wenn sie mich Schränke oder Türen haben tragen sehen. „Können Sie das wirklich tragen? Sie sind doch so zart!“ Ich selbst hätte mich mit diesem Wort nie beschrieben, und war mir dieser Wirkung auch nicht bewusst- was viel mehr in mein Bewusstsein rückte war, dass es ganz offensichtlich die Frauen waren, die mir diesen Job nicht zutrauten. Männer reagierten manchmal mit einer Art Faszination für das „Ungewöhnliche“, was ich auch nicht als angenehm empfand, aber immerhin nicht erforderte mich zu rechtfertigen oder zu erklären.
Ich habe mich selbst nie als ungewöhnlicher empfunden, als andere Menschen. Ja, mein Lebenslauf ist vielleicht für den einen oder anderen unkonventionell- ich habe nach dem Abitur eine handwerkliche Ausbildung gemacht und diese nicht verkürzt, ich studiere, habe im Studium ein Kind bekommen, und habe immer parallel gearbeitet. Aber wenn man drin ist, in diesen Phasen des Lebens, dann ist man nicht so exotisch wie es von außen vielleicht scheint. Ich bin nicht als einzige nach dem Abitur nicht sofort an die Uni gegangen- einer meiner Mitschüler ist Tattoowierer geworden, das finde ich viel ungewöhnlicher als Tischler (wahrscheinlich, weil ich unglaublichen Respekt vor der Verantwortung habe, Menschen unvergängliche Motive unter dieHaut zu stechen), aber er wird auch das als normal ansehen, weil man andere Menschen kennenlernt, die auf ganz ähnlichen Wegen zu diesem Job gekommen sind.
In der Uni war es plötzlich zur gleichen Zeit normal und ungewöhnlich: zeitweise gab es außer mir niemanden an der ganzen Uni, der die gleiche Fächerkombination studierte, und ich hatte viele Veranstaltungen mit denen, die einen schnurgeraden Lebenslauf haben und direkt aus der Schule kamen. Wärend ich in Chemie immer eine der ältesten war, bin ich in Holztechnik noch eine der jüngeren, denn dort hat fast jeder eine Lehre gemacht, teilweise auch einen Techniker- oder Meistertitel, dort heirateteten einige während des Studiums, und hatten oder bekamen Kinder.
Mit dem Nähen geht es mir manchmal ganz ähnlich. Es gibt die Kreise, in denen ich mich bewege, in denen es fast ungewöhnlicher ist, wenn man nicht näht, strickt oder kocht, und es gibt die, in denen ich ungläubig angeguckt werde, wenn ich erzähle, dass ich inzwischen fast ein komplettes Jahr ohne den Kauf von Kleidung lebe. Die Durchmischung dieser Kreise ist es, was dafür sorgt, dass keine Langeweile aufkommt. Was mir aber immer wieder auffällt ist, dass es sehr viel angenehmer ist, wenn der „Exotenstatus“ allein aus dem Handeln und nicht aus dem was du bist entsteht. Wenn es um mein nähen, stricken oder basteln geht, ist es selbstverständlich, dass das „Frauentätigkeiten“ sind. Wenn ich etwas schweres trage oder etwas baue, dann ist nicht ungewöhnlich was ich tue, sondern dass es eine Frau tut. Die „Bewunderung“ hat daher immer einen faden Beigeschmack.
Da wir kurz vor Weihnachten stehen, ist das neue Jahr nicht weit, und damit wieder Zeit sich Gedanken zu machen zu Vorsätzen und Veränderungen. Ich würde mir wünschen, dass es wieder selbstverständlicher wird, solche „gutgemeinten Diskriminierungen“ zu reflektieren. Ich habe das Gefühl, dass wir uns momentan immer stärker in unsere Hobbys verkriechen, wenig über den Tellerrand geschaut wird, und man sich so wenig wie möglich mit Politik befassen möchte, weil alles groß, unaufhaltsam und bedrohlich zu sein scheint. Und ich glaube, dass das gefährlich ist, und wir noch viele Themen neben dem Feminismus aus der Mottenkiste ziehen sollten!
Body: Schnitt von Sewera gibt es hier, genäht aus einem Strukturjersey von Butinette und hier auf dem Blog ausführlicher Vorgestellt.
Rock: Schnitt „Skirty“ von Sewera (hier) aus Chiffon aus meiner Retrokiste und Tüll von Geschenkhaus Hamburg über Ebay
Verlinkt: Rums
Sehr chic!