Schnittmuster werden an Hand von Maßtabellen erstellt, die auf Durchschnittsmaßen aus Reihenmessungen beruhen. Somit basieren Schnittmuster auf Daten, die stark von der Figur einer realen Person abweichen können. Neben den Längen und Weitenmaßen, wird auch eine standardisierte Körbchengröße zu Grunde gelegt: Das B-Körbchen. Wenn du von dieser Körbchengröße (oder genauer: von diesem Verhältnis aus Oberbrustweite und Brustweite) abweichst, werden Oberteile bei dir weniger gut sitzen. Aber du kannst etwas dagegen tun! Schnittanpassung große Oberweite: wir machen ein FBA (Full Bust Adjustment)
Die FAQ zur FBA
Was ist FBA beim Nähen?
FBA steht für „Full Bust Adjustment“. Es handelt sich dabei um eine Anpassung für eine große Brust, bei der sowohl in der Weite, als auch in der Länge der notwendige Platz für die Brust geschaffen wird. Die Anpassung wird ausgehend vom tatsächlichen Brustpunkt vorgenommen. So entsteht die zusätzliche Weite an der richtigen Stelle.
Wann brauche ich eine FBA beim Nähen?
Musst du dein Oberteil regelmäßig zurecht ziehen, weil der Saum nach oben rutscht und absteht? Oder stellst du immer wieder fest, dass sich im Bereich zwischen Brust und Achsel Falten bilden? Das sind deutliche Anzeichen dafür, dass du im Brustbereich mehr Stoff benötigst! Weitere Anzeichen sind eine große Körbchengröße (mehr als ein B-Körbchen) oder ein großer Unterbrustumfang.
Während die Körbchengröße das Verhältnis von Oberbrustumfang zu Brustumfang wiedergibt, deutet ein großer Unterbrustumfang auf einen großen Brustkorb hin, der auch dann, wenn du ein B-Körbchen trägst, ein Grund für ein FBA sein kann. Eine Faustformel verrät dir, ob du ein FBA benötigst:
Brustumfang – Oberbrustumfang ≥ 5cm
Bei einer Differenz von 5cm oder mehr zwischen Brustumfang und Oberbrustumfang solltest du ein FBA machen. Die Differenz von 5 cm entspricht dem B-Körbchen (7,5cm würden ungefähr einem C-Körbchen entsprechen, 10 cm einem D-Körbchen, usw.) .
Kann ich statt der Schnittanpassung für große Oberweite (FBA) eine Nummer größer nähen?
Nein, es sei denn, du bist bereit deutliche Abstriche bei der Passform deines Oberteils zu machen. Eine FBA gibt in genau dem Bereich Weite zum Schnitt hinzu, in dem du sie benötigst: An der Brust. Die Passform von Schultern, Taille und Hüftbereich bleiben dabei erhalten. Wenn du dein Oberteil einfach größer nähst, wird es in diesen Bereichen zu weit.
Kann ich ein FBA ohne Abnäher machen?
Ja. Bei einfachen Schnitten wie T-Shirts ist es möglich den Verlauf der Seitennaht und des Ärmellochs zu verändern um auf Abnäher verzichten zu können. Wenn dein Schnittmuster keinen Abnäher enthält und auch wenn der Brustpunkt nicht eingezeichnet ist, kannst du diese Methode anwenden. Ich erkläre sie dir weiter unten. Dennoch kannst du, für die optimale Passform, ein klassisches FBA machen. Wenn dein Schnittmuster bereits einen Abnäher enthält, erkläre ich dir in diesem Beitrag das klassische FBA bei vorhandenem Abnäher.
Schnittanpassung große Oberweite – das klassische FBA
1. Vermessen
Um ein klassisches FBA vorzunehmen, musst du dich als erstes gut vermessen oder vermessen lassen. Du benötigst folgende Maße:
Oberbrustumfang
Der Oberbrustumfang wird auf Höhe des Armansatzes gemessen. Das bedeutet, das Maßband wird unter den Armen hindurchgeführt und dann über die Stelle gelegt, an der die Brust beginnt sich nach vorne zu wölben. Von dort aus wird das Maßband leicht schräg zum Armansatz geführt (ungefähr da, wo die Oberkante des BHs unterhalb der Achsel verläuft). Im Rücken verläuft es waagerecht zum Boden auf Höhe des Armansatzes. Im Rücken darf das Maßband nicht herunterrutschen! Bitte jemanden, dich beim Vermessen zu unterstützen.
Brustumfang
Der Brustumfang wird waagerecht um den Körper über die Stelle gemessen, an der deine Brust am stärksten nach vorn gewölbt ist. Das Maßband darf im Rücken nicht herunterrutschen! Bitte jemanden dich beim vermessen zu unterstützen!
Brusttiefe
Die Brusttiefe ist ein Maß, das in der Regel berechnet und nicht gemessen wird. Ein einfacher Weg die Brusttiefe zu ermitteln ist das sogenannte „Tissue Fitting“. Hierbei probierst du dein Schnittmuster vor dem Nähen an. Das klingt komplizierter als es ist: Ziehe ein gut sitzendes, eng anliegendes Shirt an. Nun steckst du das Schnittteil für die Vorderseite an der Schulternaht fest und legst es mittig entlang deines Körpers an.
Du kannst nun den stärksten Punkt deiner Brust markieren. Meistens ist das die Brustwarze. Ein Tissue Fitting funktioniert am besten, wenn du deine Schnittteile auf Folie abpaust, da diese sich flexibel an den Körper legt und nicht reißt.
Alternativ zum Tissue Fitting kannst du die ungefähre Brusttiefe messen, indem du dein Maßband vom Schulterpunkt zum Brustpunkt führst. Achtung: Bei überschnittenen Ärmeln kann es schwierig sein, den Schulterpunkt im Schnittmuster zu bestimmen!
Bild 4 : Schnittteil mit eingezeichnetem Brustpunkt
2. Änderungsmaß berechnen
Ziehe nun den Wert des Oberbrustumfangs vom Brustumfang ab und teile das Ergebnis durch 2. Der Wert den du erhältst ist die Weite, die du der rechten und der linken Körperseite zufügen musst. Nehmen wir an, eine Frau hat einen Brustumfang von 111 cm und einen Oberbrustumfang von 104 cm.
Brustumfang – Oberbrustumfang = Umfangsdifferenz
111 cm – 104 cm = 7 cm
Umfangsdifferenz : 2 = Änderungsmaß je Körperseite
7 cm : 2 = 3,5 cm
Achtung: Wenn dein Schnittteil im Bruch zugeschnitten wird, reicht es die Anpassung einseitig zu machen. Nähst du ein asymmetrisches Stück, muss die Weitenanpassung auf beiden Seiten des Schnittmusters vorgenommen werden!
3. Schnittlinien konstruieren
Als erstes zeichnest du nun eine Linie im 90 Grad Winkel zum Fadenlauf durch den Brustpunkt (Linie 1).
Bild 5 : Schnittteil mit Linie 1
Anschließend eine Parallele zum Fadenlauf, die ebenfalls durch den Brustpunkt verläuft (Linie 2).
Bild 6 : Schnittteil mit Linie 1+2
Miss nun dein Armloch aus. Dazu stellst du dein Maßband auf die Kante, damit du der Rundung folgen kannst. Teile das Maß durch 3. Diesen Wert trägst du vom Achselpunkt aus auf der Rundung des Armlochs ab. Verbinde diesen Drittelpunkt mit dem Brustpunkt (Linie 3).
Bild 7 : Detail: Markierter Drittelpunkt
4. Schnittmuster aufdrehen
Schneide nun vom Saum entlang der Linien 2 bis zum Brustpunkt und von dort entlang Linie 3 bis kurz vor den Drittelpunkt. Lass wenige Millimeter Papier oder Folie stehen, sodass die Teile gerade eben verbunden bleiben.
Bild 8 : Schnittteil eingeschnitten enlang Linie 2+3
Schneide anschließend Linie 1 bis kurz vor den Brustpunkt auf. Lasse auch hier einige Millimeter stehe. Stecke das Schnittteil am Bruch mit Stecknadeln auf einer Styropor oder Schaumstoffplatte fest, damit es nicht verrutscht. Dafür eignen sich diese Matten sehr gut
Bild 9 : Schnittteil eingeschnitten enlang Linie 2+3 + 1
Nun kannst du den Schnitt aufdrehen, sodass am Brustpunkt das Änderungsmaß zwischen den beiden Seiten der Schnittlinie erreicht wird. An Linie 1 liegen die Schnittteile Kante an Kante! Es wird im rechten Winkel zum Fadenlauf gemessen!
Bild 10 : Detail Abstand am Brustpunkt
Fixiere nun den Achselpunkt mit einer Stecknadel oder Klebe den Schnitt auf der Unterlage fest, damit das Schnittteil nicht verrutschen kann. Nun beginnst du Linie 1 aufzudrehen. Der Einschnitt wird so weit geöffnet, dass die Schnittkanten von Linie 2 wieder parallel zueinander liegen. Ihr Abstand entspricht dem Änderungsmaß (3,5cm). Klebe Papierstreifen hinter das Schnittmuster um die Schnitteile zu stabilisieren.
Bild 11 : Komplett aufgedrehtes Schnittteil
5. Saumlänge korrigieren
Du wirst nun zwischen dem äußeren Teil und dem dem Bruch zugewandten Teil deines Schnittmusters einen Versatz feststellen. Bei einem geraden Saum kannst du einfach die Länge des nach unten verschobenen, äußeren Schnittteils zum Bruch verlängern und als neue Saumlinie zuschneiden. Wenn dein Saum gerundet oder asymmetrisch ist, oder anderweitig von einer geraden Linie abweicht, musst du den Saum verschieben. Hierfür schneidest du den kürzeren Teil des Schnittmusters (die Mitte bzw dem Bruch zugewandte Seite) an der Linie für die Längenanpassung auseinander und schiebst es um den Versatz nach unten. Ist keine Linie für die Längenänderung vorgegeben, kannst du selbst eine solche Linie einzeichnen. Sie liegt unterhalb der Taillenkurve.
Bild 12 : An der Änderungslinie auseinandergeschobenes Schnitteil
Stabilisiere auch diese Änderung durch einen hintegeklebten Papierstreifen und mache anschließend ein Tissue Fitting um die Position des Brustpunktes zu überprüfen.
6. Brustpunkt verlegen
Wenn du ein Schnittmuster nähst, das bereits einen Brustabnäher enthält, kann es passieren, dass du im Tissue-Fitting feststellst, dass deine Abnäherspitze nicht auf dem Brustpunkt endet. Das ist ganz normal! Der Abnäher endet im Schnittmuster 2-3 cm vor dem Brustpunkt! Wenn dein Brustpunkt jedoch höher oder tiefer liegt, als der des eingezeichnete Abnähers, musst du diesen verlegen! Das erkennst du daran, dass der Brustpunkt nicht in der Verlängerung der Mittellinie des Abnähers liegt. Der Abnäher zeigt an deinem tatsächlichen Brustpunkt vorbei. In diesem Fall wird der Abnäher verlegt.
Die Verschiebung kann durch deine Brustform entstehen, kann ihre Ursache aber auch in der Änderung haben, da der Abnäher bei der FBA „fällt“. Um die Abnäher Position zu korrigieren wird er parallel zur Seitennaht verschoben, sodass er auf den tatsächlichen Brustpunkt zeigt.
Schnittanpassung große Oberweite – Quick & Dirty ohne Abnäher
Wie versprochen erkläre ich dir nun noch die schnelle Variante der FBA, die ohne Abnäher auskommt. Für diese Methode musst du ebenfalls den Oberbrustumfang und den Brustumfang ermitteln und mit der oben bereits gezeigten Formel dein Änderungsmaß bestimmen.
Lege dein Schnittmuster auf Schnittpapier oder-Folie und pinne beide Lagen am Schulterpunkt auf einer Styropor- oder Schaumstoffplatte fest. Zeichne die Schulternaht, den Halsausschnitt, die Bruchkante und das Stück Seitennaht zwischen Saum und Tailleinlinie auf das Schnittpapier ab.
Bild 13: Am Schulterpunkt fixiertes Schnitteil
1. Änderungsmaß anzeichnen
Trage dann auf deinem Schnittpapier vom Achselpunkt nach außen, im 90 Grad Winkel zum Fadenlauf, dein Änderungsmaß auf. Markiere dir außerdem den Schnittpunkt zwischen Taillenlinie und der Seitennaht.
Bild 14: Nach außen abgetragenes Änderungsmaß
2. Vorderes Armloch anpassen
Drehe nun dein Schnittmuster um den Schulterpunkt, bis die Seitennaht auf das Ende der soeben gezeichneten Linie trifft. Fixiere das Schnittteil in dieser Position mit einer weiteren Stecknadel im Achselpunkt. Zeiche nun die Kurve des vorderen Armlochs auf dein Schnittpapier ab.
Bild 14: Nach außen gedrehtes Schnitteil
3. Seitennaht anpassen
Entferne nun die Stecknadel aus dem Schulterpunkt und drehe das Schnittmuster um die Nadel im Achselpunkt. Drehe es genau so weit, bis die Seitennaht den Schnittpunkt der Taillenlinie und der alten Seitennaht kreuzt, den du im ersten Schritt markiert hast. Zeichne die Seitennaht vom Schnittmuster bis zur Taillenlinie auf.
Bild 15: Um den Achselpunkt gedrehtes Schnitteil
4. Länge anpassen
Ein FBA bzw die Schnittanpassung „große Oberweite“ ist immer eine Anpassung in Weite und Länge, da sich durch den Umfang der Brust auch die Strecke von Schulter bis Saum verlängert. Hierzu schneidest du dein Schnittmuster an der Linie für die Längenanpassung auseinander und schiebst den Saum um dein Änderungsmaß nach unten. Wenn keine Linie zur Längenanpassung eingezeichnet ist, kannst du sie wie oben beschrieben, selbst einzeichnen.
Bild 16: An der Änderungslinie getrenntes Schnitteil
Empfehlungen für weitere Änderungen
Auch wenn es einige Überwindung kostet, lohnt sich die Anpassung von Schnittmustern immer! Du wirst dich in deinem Kleidungsstück viel wohler fühlen, wenn es optimal sitzt! Die Schnittanpassung „große Oberweite“ aka FBA ist längst nicht die einzig lohnende! Solltest du eine kleine Brust haben, oder dein Brustkorb sehr schmal sein, kannst du dir hier anschauen, wie ein SBA (Small Bust Adjustment) funktioniert. Hier findest du die Schnittanpassung „große Oberweite“ und für die kleine Oberweite für Oberteile mit angeschnittenen Ärmeln.
Viele, sehr praxisorientierte und gut verständliche Anleitungen zum Anpassen findest du im Buch „Real Fit For Real People“ wie der Palmer & Pletsch Guide to Fitting umgangssprachlich genannt wird. Keine Angst, das Buch ist zwar auf Englisch, es ist aber sehr gut verständlich und mit einer großen Anzahl von Bildern erklären sich die Anpassungen fast von allein. Ebenfalls empfehlenswert sind die Bücher „Passt Perfekt“ und „Passt Perfekt Plus Size“ von Maike Rensch Bergner. Sie sind nicht ganz so umfangreich wie der Palmer & Pletsch, auf dem deutschsprachigen Markt aber wohl die Bücher, die ihm am nächsten kommen.
Wenn du Schnittmuster suchst, die bereits eine FBA enthalten, weil du die Schnittanpassung „große Oberweite“ vermeiden möchtest schau dir gern diesen Beitrag mit meinem Youtubevideo zu Schnittmustern für „Nicht-Norm-Figuren“ an.
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